Frauenrechte

Zwangsheirat in Deutschland


Warum das wichtig für mich ist
Das ist wichtig für mich, weil ich aus einem Land komme, in dem viele Frauen gezwungen werden zu heiraten.

Was mein Wunsch ist
Mein Wunsch ist, dass die Mädchen selbst entscheiden können. Spätestens wenn sie volljährig sind, sollten sie selbstständig über ihr Leben entscheiden. Die Frauen wollen aus Liebe heiraten und Liebe kann man nicht bestimmen (durch die Eltern). Für mich ist es sehr wichtig, aus Liebe zu heiraten.

Vorbereitung
Zusammen mit meiner Kursleiterin Suraiya Karimi habe ich mich auf mein Expertingespräch vorbereitet. Meine Frage: Gibt es auch in Deutschland Zwangsheirat? Frau Karimi: Ja, jedes Jahr sind in Deutschland rund 3000 Mädchen von Zwangsverheiratung bedroht, schätzt das Bundesfamilienministerium. Spiegel online vom 13.10.2016: „Schon 2011, also Jahre bevor die Flüchtlingszahlen stark gestiegen sind, kam eine Studie des Bundesfamilienministeriums zu dem Ergebnis, dass in Deutschland mehr als 3000 Menschen zwangsverheiratet waren oder kurz vor einer solchen Ehe standen. 30 Prozent der Betroffenen waren minderjährig, fast alle hatten einen Migrationshintergrund und waren weiblich.“ Aber das ist nur die Zahl der Mädchen, die den Weg zu den Beratungsstellen gefunden hat. Mädchen fahren in die Sommerferien und werden im Heimatland der Eltern zwangsverheiratet.

LÂLE
Brahmsallee 35, 20144 Hamburg
(Bus 4, 5, 15 Bezirksamt Eimsbüttel)
www.ikb-lale.de

Gespräch mit Suzana Kamperidis von LÂLE
Suzana Kamperidis ist die fachliche Leiterin von LÂLE, der interkulturellen Beratungsstelle für Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat.

Migrantenselbstorganisation
Sie hat mir zuerst erklärt, dass LÂLE zu der Interkulturellen Begegnungsstätte IKB e.V. gehört und eine Migrantenselbstorganisation ist, das heißt: Migrantinnen helfen Migrantinnen. Sie ist schon seit 15 Jahren dabei.

Zwangsheirat – eine Form von Gewalt
Oft denken Frauen, die Gewalt erfahren, dass das, was sie erleben, doch gar keine Gewalt ist. Viele Menschen denken, dass Gewalt damit zu tun hat, geschlagen zu werden. Das ist körperliche Gewalt.
Aber es gibt noch viele andere Arten der Gewalt und die Frauen von LÂLE helfen in allen diesen Fällen:
– häusliche Gewalt (vom Partner aus)
– familiäre Gewalt (durch Vater, Mutter, Bruder, Onkel…)
– Zwangsheirat (ist oft mit anderen Formen der Gewalt verknüpft)
– ökonomische Gewalt (wenn Geld weggenommen wird)
– soziale Gewalt (wenn z.B. der Ehemann verbietet, dass die Frau Kontakte hat)
– sexualisierte Gewalt
– psychische Gewalt (z.B. wenn jemand immer sagt: Du bist schlecht und hässlich); Erpressung, das ist, wenn jemand sagt: „Wenn du das nicht machst, dann …“; Psychoterror (Wenn jemand dich nicht in Ruhe lässt, bedrängt).

Wie können Sie jungen Frauen helfen?
Sie kommen zum Beispiel, wenn sie erfahren haben, dass sie heiraten sollen. Zum Beispiel erfährt eine junge Frau, dass sie in den Sommerferien in der Heimat der Eltern jemanden kennenlernen soll. Sie möchte das nicht. Dann kann sie hierher in die Beratung kommen. Was wir machen: Wir beraten sie, indem wir mit ihr zusammen die Lösung suchen. Wir sagen nicht, was das junge Mädchen machen soll. Wir sagen nicht, das eine ist richtig und das andere falsch. Wie schauen auf die konkrete Familiensituation. Oft hat sie viele Sachen im Kopf und wir helfen ihr beim Sortieren. Vielleicht sagt sie: Ich möchte das nicht, aber ich möchte auch meine Familie nicht verlieren. In Gesprächen finden wir heraus: Wer kann helfen? Gibt es jemanden in der Familie? Eine vertrauensvolle Tante zum Beispiel? Manchmal funktioniert das. Aber manchmal ist schon viel Gewalt und Bedrohung da. Und für die Eltern steht die Verheiratung schon fest. Es kann dann sein, dass sie sagt, ich möchte jetzt erstmal weg von Zuhause. Dann geht es darum, ob sie volljährig ist oder nicht. Es gibt dann spezielle Schutzeinrichtungen in Hamburg. Wir schauen: Ist es besser aus Hamburg wegzugehen? Oder suchen wir erstmal eine Schutzeinrichtung hier? Mit den Kolleginnen in den Schutzeinrichtungen arbeiten wir eng zusammen.

„Wir sagen nicht, was das junge Mädchen machen soll. Wir sagen nicht, das eine ist richtig und das andere falsch. Wie schauen auf die konkrete Familiensituation.“ Suzana Kamperidis, von LÂLE

Haben Sie ein Beispiel dafür, wie sie einer jungen Frau geholfen haben?

Eine junge Frau war hier in Hamburg geboren und groß geworden. Die Familie wollte sie in der Türkei verheiraten. Sie wollte das nicht, wurde aber trotzdem verheiratet. Sie musste in der Türkei dann mit der Familie des Bräutigams leben. Der Pass wurde ihr weggenommen. In der Türkei hatte sie keine Möglichkeit zur Botschaft zu gehen, weil es die nur in großen Städten gibt, sie lebte aber in einer kleinen Stadt. Ein paar Jahre lebte sie dort. Dann erklärte sie, dass sie ihre Familie in Hamburg besuchen möchte. Da war sie schon 24 Jahre alt. Als sie in Hamburg war, kam sie sofort zu uns. Wir halfen ihr auf verschiedenen Ebenen. Zunächst gab es das Problem, dass sie keine deutsche Staatsangehörigkeit hatte und länger, ohne Wissen der Ausländerbehörde, im Ausland war. Sie hatte ihren Aufenthalt für Deutschland verloren, obwohl es die Niederlassungserlaubnis gewesen ist. Hier haben wir mit einem Anwalt für Ausländerrecht zusammengearbeitet. Dann musste sie zum Jugendamt und das Sorgerecht für ihr Kind klären, damit es nicht heißt, sie habe ihr Kind gekidnappt. Dann ging es darum, dass sie eine Wohnung und Arbeit braucht… Zwei Jahre haben wir ihr geholfen und mittlerweile führt sie ein glückliches Leben hier, mit ihrem Freund und einem zweiten Kind. Manchmal besucht sie uns.

„Kann das Liebe sein?“
Bald erscheint die Broschüre „Kann das Liebe sein?“ Frauen können mit ihrer Hilfe überprüfen, ob sie von Gewalt betroffen sind. Es gibt verschiedene Fragen und dann ein Ergebnis in den Ampelfarben GRÜN, GELB und ROT. Bei GRÜN ist alles in Ordnung. GELB bedeutet „Achtung“ und ROT zeigt „Gefahr“ an. Die Broschüre gibt es zum Beispiel bei LÂLE. Sie wird auf Wunsch auch zugeschickt.

Offene Beratungszeiten
in den Sprachen: Arabisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Dari, Farsi, Deutsch, Englisch, Französisch, Griechisch, Portugiesisch, Spanisch, Türkisch, und nach Vereinbarung mit Dolmetscherin für zum Beispiel Hindi, Paschtu und afrikanische Sprachen wie Tigrinya und Twi

montags bei i.bera/ verikom e.V.:
13-16 Uhr

dienstags bei LÂLE/ IKB e.V.
10-13 Uhr

mittwochs bei LÂLE/ IKB e.V.
14-17 Uhr

donnerstags bei i.bera/ verikom e.V.:
10-13 Uhr

Termine auch nach Vereinbarung:
i.bera: Tel. 040 350 17 72 26
LÂLE: Tel. 040 30 22 79 78
Die Beratungen von LÂLE und i.bera sind kostenlos und anonym.

Hilfetelefon – Gewalt gegen Frauen
Frau Kamperidis erzählte mir außerdem vom bundesweiten Hilfetelefon: 24 Stunden, also rund um die Uhr, können Frauen hier anrufen. Sofort, innerhalb einer Minute, kann auf Wunsch hin eine Dolmetscherin eingebunden werden, die übersetzt. Den Anruferinnen wird zum Beispiel gesagt, wo in ihrer Nähe eine Beratungsstelle ist.

HILFETELEFON – NUMMER
08000 116 116

Mein Name ist Zohre.
Ich komme aus Afghanistan.
Ich bin Schülerin in einer
AVM-Dual-Klasse der BS13.

 

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