Über die Situation der Roma in Serbien

Interview mit Leone Petrovic, Schüler an der BS 13:

Hamburg-was geht:
Leone, du bist vor einiger Zeit als Flüchtling aus Serbien nach Hamburg gekommen. Wann und warum bist du weg aus Serbien?

Leone: Im März 2015 bin ich mit meiner ganzen Familie nach Deutschland gekommen. Wir haben einen Asylantrag gestellt.
Warum wir weg aus Serbien sind und nach Deutschland gekommen sind? Wir sind Roma. Und Serbien ist kein Roma-Land, sondern serbisches Land. Wir sind da nicht willkommen. Wir haben in einem kleinen Haus gewohnt, viele Roma haben gar kein Haus. Sie haben sich aus Holz und Kartons Hütten gebaut. Nachts kommen immer wieder serbische Rassisten, so wie Nazis, stecken die Hütten in Brand. Die Polizei schützt uns nicht. Im Gegenteil: Wir werden schikaniert. Immer wenn was passiert, sind Roma schuld. Mein Papa saß mal ein paar Tage im Gefängnis, weil er einen Serben angezeigt hatte, der meine Mama fast tot geprügelt hat.

Unsere Menschen haben keine Chance. Es hilft keine Polizei, keine Versicherung. Wenn die Hütten abgebrannt sind, müssen sich wieder neue bauen. Auch im Winter leben sie in solchen Hütten. Da ist es sehr kalt. Die Menschen sind immer krank. Das ist zum Beispiel auch ein Grund, warum Menschen von dort nach Deutschland kommen wollen, einfach um ein bisschen Sicherheit zu haben und hoffentlich ein besseres Leben zu haben. Sich eine Zukunft aufbauen. In Serbien hatte ich keine Zukunft. Ich wusste nicht, was morgen passiert. Als Rom hast du dort keine Zukunft. Es gibt so große Unterschiede für die serbischen Leute und uns Roma. Die Serben mögen uns schon deshalb nicht, weil wir ein bisschen dunkler sind. In Serbien hatte ich weniger Freunde als hier. Einmal hatte ich eine Freundin. Sie machte nach einer Woche Schluss, weil ihre Eltern nicht wollten, dass sie mit einem Rom zusammen ist. Danach hatte ich keine Freundin mehr, weil die Mädels da keine Beziehung mit einem Roma-Jungen haben wollen.

Hamburg-was geht: Bist du in Serbien zur Schule gegangen?

Leone: Ich habe in Serbien meinen Hauptschulabschluss gemacht. Danach konnte ich aus finanziellen Gründen nicht weiter zur Schule gehen. Meine Eltern hatten keinen Job und kein Geld.

Hamburg – was geht: Hattest du als Rom besondere Probleme in der Schule?

Leone: Ja. Das fing schon bei der Kleidung an. Die guckten, wie du angezogen bist, welche Schuhe du hast, welche Marken du trägst. Ich hatte keine Markenklamotten, weil meine Eltern kein Geld hatten. Die andern machten sich deswegen über mich lustig, lachten mich aus, beleidigten mich. Ich hatte keine Freunde in der Klasse, weil wir ärmer waren, und weil ich dunkler als die anderen war. Wenn ein serbischer Junge dennoch mit mir spielen wollte, wurde er von den anderen angemacht: z.B. Warum spielst du mit dem Schwarzen? Dunklere Haut zu haben war dort noch schlimmer als keine Markenklamotten zu haben.

Hamburg – was geht: Du wohntest in Serbien in einem Dorf. Ist die Lage der Roma in den großen Städten besser?

Leone: Nein, gerade die sind die in den Kartonhütten. Am Stadtrand. In der Nähe der Müllberge. Die haben noch weniger Geld. Die suchen ihr Essen in den Müllcontainern. Sie sammeln und verkaufen Kartons und Metall, Aluminium, Plastik, vor allem Plastikflaschen. So versuchen sie zu überleben.

Hamburg – was geht: Mit wem bist du nach Hamburg gekommen?

Leone: Wir sind als Familie gekommen, Mutter und Vater, und wir sind vier Brüder, der jüngste ist 12, der älteste 22. Wir haben Asyl beantragt und kamen in die Zentrale Erstaufnahme nach Wilhelmsburg. Nach drei Monaten wurden der Asylantrag abgelehnt. Mit der Begründung, dass Serbien ein sicheres Land ist. Das stimmt vielleicht für Serben, aber nicht für Roma. Wir sollten innerhalb von zwei Wochen ausreisen. Wir haben einen Anwalt genommen. Der hat geklagt. So konnten wir noch 2-3 Monate bleiben.

Mein Papa hat zusammen mit einem anderen Rom, der aus Mazedonien kam, versucht eine Gruppe zu gründen, damit sich Roma gemeinsam gegen ihre Abschiebung wehren. Romano Jekipe Ano Hamburg, das heißt Vereinigte Roma Hamburg. Am 17.September 2015 sind ungefähr 50 Roma mit Koffern und Taschen in den Michel, die Kirche, gezogen, um dort zu bleiben, um dort Asyl zu bekommen. Ich war am Anfang nicht dabei, weil ich gerade im Krankenhaus war. Presse und Fernsehen war auch da. Ich habe das Ganze im Krankenhaus im Fernsehen gesehen. Wir blieben mit 50 Leuten dreieinhalb Wochen lang in zwei großen Nebenräumen der Kirche. Dann haben Kirchengemeinden den Familien Wohnungen gegeben und Fluchtpunkt kümmert sich um die rechtliche Situation der Menschen. Unsere Familie blieb noch sechs Monate in einer Kirche, dann zogen wir auch in eine Wohnung der Kirche um. Wir haben Kirchenasyl. Wir haben sehr viel Unterstützung auch von Deutschen bekommen, so konnte ich weiter in die Schule gehen. Meine Eltern haben wieder eine Duldung. Ich hoffe, dass sie bald eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, vor allem auch weil meine Mutter schwer krank ist.

Hamburg – was geht: Und wie ist deine Situation?

Leone: Meine ist ein wenig anders. Ich habe eine Freundin kennengelernt, wir sind zusammengekommen. Nachdem wir eine Weile zusammen waren, haben wir uns ein Kind gewünscht. Unser Kind ist inzwischen geboren. Weil meine Freundin Deutsche ist, ist unser Kind auch deutsch, und ich bin jetzt Vater eines deutschen Kindes. Ich denke, ich bekomme eine Aufenthaltserlaubnis. Außerdem mache ich im Januar meinen Schulabschluss und dann eine Ausbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit.

Hamburg – was geht: Wir wünschen dir alles Gute für deine Zukunft. Vielen Dank für das Gespräch.

 

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