3+2 Regelung
ICH BIN AFGHANE, BIN ÜBER 18 UND HABE ANGST VOR ABSCHIEBUNG. Soll ich die Schule abbrechen und sofort eine Ausbildung beginnen?
Lieber Herr Kopp,
was soll ich machen? Würden Sie mir zu A, B oder C raten? A: Sollte ich jetzt die Schule abbrechen und direkt ohne Schulabschluss zum 1.8.17 eine Ausbildung beginnen? B: Oder sollte ich erst meinen ESA machen und die Ausbildung zum 1.2.18 starten? C: Oder kann ich jetzt im Juli schon einen Ausbildungsvertrag für den 1.2.18 abschließen, der mich schützt? Und was genau bedeutet die 3+2-Regelung eigentlich? Und in welchem Gesetz steht sie?
Lieber Mojtaba,
Es stimmt, dass die Aufnahme einer Ausbildung den Aufenthalt sichert. Deshalb meinen viele Leute, dass Geflüchtete mit unsicherem Aufenthalt so schnell wie möglich eine Ausbildung beginnen sollten. Das ist aber nicht immer vernünftig.
Bei der Entscheidung zwischen „Ausbildung sofort“ oder „bis zum Schulabschluss weiterlernen“ sollte sich jeder unbedingt beraten lassen. Entweder von einer Beratungsstelle oder einem Rechtsanwalt. Die sollten sich im Ausländerrecht gut auskennen und deine ausländerrechtliche Situation genau kennen.
In deiner jetzigen Situation ist die Antwort leicht: Du bist immer noch im Asylverfahren. Solange das Asylverfahren läuft, kannst du nicht abgeschoben werden.
Eine Ausbildung ist nicht leicht. Sogar Schüler*innen, die den MSA haben, haben oft Schwierigkeiten in der Berufsschule. Ohne Schulabschluss und mit wenig Deutschkenntnissen eine Ausbildung zu beginnen, macht keinen Sinn. Irgendwann muss man die Ausbildung abbrechen, weil man nicht mehr mitkommt und hat also nichts gewonnen.
Auch wenn du jetzt nur eine Duldung hättest, würdest du weiter geduldet werden, wenn dein Zeugnis oder eine Prognose der Schule zeigt, dass du einen Schulabschluss erreichen kannst. Du würdest eine Ermessensduldung bekommen. Nach dem Abschluss könntest du immer noch die Ausbildung beginnen.
Die Antwort B ist also richtig. Selbstverständlich kannst du dir auch schon frühzeitig einen Ausbildungsplatz besorgen, also jetzt (Juli 2017) für den Februar 2018. Der würde dich schützen, wenn es nötig wird. Die Ausländerbehörde akzeptiert die „Vorlaufzeit“ zwischen Vertragsabschluss und tatsächlichem Ausbildungsbeginn. Antwort C ist deshalb auch richtig.
Grundlage für die 3+2-Regelung ist das Integrationsgesetz aus dem August 2016. Da wurden auch zwei Paragrafen des Aufenthaltsgesetzes geändert:
Im § 60a wird Geflüchteten mit Duldung die Möglichkeit gegeben, eine Ausbildung zu machen und dafür eine Ausbildungsduldung zu bekommen.
Im § 18a wurde festgelegt, dass es nach der Ausbildung für die Arbeit im erlernten Beruf eine Aufenthaltserlaubnis für 2 Jahre gibt.
Die Ausbildung dauert meistens 3 Jahre, die anschließende Aufenthaltserlaubnis wird beim ersten Mal für 2 Jahre erteilt. Deshalb heißt es 3+2-Regelung. Selbstverständlich gibt es Bedingungen, die man erfüllen muss, wenn man die 3+2-Regelung nutzen möchte:
Schwierig wird es vor allem, wenn man seine Abschiebung bisher verhindert hat, indem man über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat oder eigene falsche Angaben gemacht hat. Oder andersrum: Es ist wichtig, dass die Identität durch Pass oder andere Nachweise der zuständigen Botschaft geklärt ist. Für Menschen, die keine Verbindung zu ihrem Herkunftsland haben, sollten Ausnahmen gemacht werden, zum Beispiel für Afghanen, die im Iran aufgewachsen sind. Außerdem: keine Straftaten mit Verurteilung über 50 Tagessätze, bei Verstößen gegen das Ausländerrecht über 90 Tagessätze.
In Hamburg werden auch für ausbildungsvorbereitende Maßnahmen Duldungen erteilt. Das gilt für EQ (Einstiegsqualifizierung), QuAS und BQ (Berufliche Qualifizierung im Hamburger Modell).
Wer aus einem sogenannten „sicheren Herkunftsland“ kommt und nach dem 31.8.2015 einen Asylantrag gestellt hat, der abgelehnt wurde, darf nicht arbeiten und auch keine Ausbildung machen. Zu den sicheren Herkunftsländern zählen Ghana, Senegal, Serbien, Kosovo, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Montenegro. Afghanistan zählt selbstverständlich nicht dazu.
Ich denke, du hast eine gute Perspektive.
Beste Grüße,
Werner Kopp