Warum bekommen manche Leute 3 Jahre und andere nur 1 Jahr Aufenthalt
Warum das wichtig für mich ist
Das ist wichtig für mich, weil ich jetzt lerne und wenn ich Abschiebung bekomme, warum soll ich dann lernen?
Wie die Situation jetzt ist
Im Moment habe ich subsidiären Schutz für 1 Jahr.
Was mein Wunsch ist
Ich wünsche mir ein schönes Leben und Arbeit in Deutschland.
Mit wem ich über mein Anliegen gesprochen habe
Ich habe mit dem Rechtsanwalt Björn Stehn gesprochen.
Das ist unser Gespräch
Björn Stehn: Wenn man einen Asylantrag stellt, dann prüft das Bundesamt alle Gründe, die sich auf das Herkunftsland beziehen, also auf das Land, dessen Staatsangehörigkeit man hat oder in das man erlaubt zurückkehren kann.
Mohammad: Ich zum Beispiel bin palästinensisch. Und ich bin in Syrien geboren. Zwei Länder, in denen Krieg ist.
Björn Stehn: Genau. Beide Länder haben Krieg. Was das Bundesamt prüft, das sind verschiedene Stufen. Das hängt damit zusammen, dass es verschiedene Gesetze gibt, die verschiedene Schutzvorschriften enthalten. Das ist in Deutschland zum einen die Verfassung (=das Grundgesetz). Da ist das Erste geregelt, die Asylanerkennung. Dann gibt es zweitens einen internationalen Vertrag, den fast alle Länder der Welt unterschrieben haben. Das ist die Genfer Flüchtlingskonvention. Da ist geregelt, wann man ein Flüchtling ist und wann man diesen Flüchtlingsschutz bekommt.
Mohammad: Und subsidiärer Schutz?
Björn Stehn: Das Dritte, subsidiärer Schutz, das steht in einer europäischen Regelung. Da steht drin, dass man in bestimmten Fällen subsidiären Schutz bekommt. Und dann gibt es das Vierte, das Abschiebungsverbot. Das ist im deutschen Aufenthaltsgesetz geregelt. Also es ist richtig kompliziert. Und alle vier Punkte werden geprüft.
Und jetzt steht im Aufenthaltsgesetz: Wer Asyl (das erste) oder Flüchtlingsschutz (das zweite) erhält, der bekommt dann erstmal 3 Jahre Aufenthalt. Wer subsidiären Schutz oder ein Abschiebeverbot erhält, der bekommt für 1 Jahr eine Aufenthaltserlaubnis.
Mohammad: Wenn ich 3 Jahre habe, dann bekomme ich auch einen Passport.
Björn Stehn: Genau, das kommt dazu. Wenn man die Asylanerkennung oder den Flüchtlingsschutz bekommt (siehe Grafik unten), dann kriegt man nicht nur 3 Jahre Aufenthalt, sondern man kriegt auch einen richtigen Flüchtlingspass, einen blauen Pass. Wenn man subsidiären Schutz oder Abschiebeverbot bekommt, dann kriegt man zwar eine Aufenthaltserlaubnis, man kriegt aber nur diese Karte oder man muss einen Pass von seinem eigenen Land beschaffen – was du als Palästinenser gar nicht bekommen kannst.
Aber was wichtig ist: Es gibt diese 2 Phasen. Die erste ist: Das Bundesamt entscheidet über eine dieser 4 Stufen Diese Entscheidung des Bundesamtes ist unbefristet. Das heißt, diese Entscheidung „Du bekommst subsidiären Schutz“, für die gibt es keine Frist, keine Entscheidung, wie lange das gilt. Die zweite Entscheidung fällt dann die Ausländerbehörde: dass du eine Aufenthaltserlaubnis bekommst, die erstmal für dich für 1 Jahr erteilt wird. Nach diesem einen Jahr wird sie weiter verlängert und du bekommst sie wieder für 1 Jahr, vielleicht sogar für 2 Jahre.
Mohammad: Das heißt, nach einem Jahr gehe ich einfach zur Ausländerbehörde?
Björn Stehn: Genau. Dann bekommst du eine neue Aufenthaltserlaubnis.
Mohammad: Aber was ist, wenn ich nach einem Jahr zur Ausländerbehörde gehe und sie sagen, du bekommst Abschiebung?
Björn Stehn: Das kann die Ausländerbehörde nicht sagen, weil die Entscheidung des Bundesamtes, dass du subsidiären Schutz bekommst, dann immer noch besteht. Und solange es diese Entscheidung gibt, erhältst du weiter deine Aufenthaltserlaubnis.
Mohammad: Also nach einem Jahr kann ich diesen Ausweis verlängern?
Björn Stehn: Ja, genau. Und erst, wenn der Krieg in Syrien vorbei ist, wenn Frieden in Syrien ist, dann kann das Bundesamt sagen: „So, jetzt brauchst du keinen subsidiären Schutz mehr.“ Und dann sagt die Ausländerbehörde: „Jetzt ist dieser subsidiäre Schutz aufgehoben, jetzt können wir die Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verlängern.“ Und jetzt hattest du gefragt, warum du zur Schule gehen sollst, wenn du nicht weißt, ob du überhaupt bleiben darfst. Ich erkläre es dir. Keiner weiß, wie lange der Krieg in Syrien noch dauern wird, vielleicht 5, vielleicht 10 Jahre. Wenn es soweit ist, dann ist es gut, wenn du hier eine Ausbildung gemacht hast und arbeitest, weil das dann ein neuer Grund dafür ist, dass du einen Aufenthalt bekommst.
Mohammad: Ich lerne so viel. Ich bin müde von der deutschen Sprache. Und wenn ich Abschiebung bekomme, was kann ich dann machen? Ich spreche Deutsch, Syrisch und Arabisch.
Björn Stehn: Wenn du gut Deutsch sprichst und gut lernst, dann bekommst du keine Abschiebung. Du bist nicht nur für 1 Jahr hier. Du bist solange hier, bis der Krieg vorbei ist. Und das wird noch lange dauern.
Mohammad: Und meine Staatsangehörigkeit ist palästinensisch.
Björn Stehn: Und genau deshalb könntest eigentlich sowieso erst zurück, wenn es das Land Palästina gibt. Das wird auch noch dauern. Deshalb ist es wichtig, dass du hier lernst und eine Ausbildung machst. Jetzt hattest du gefragt, warum die einen 3 Jahre Aufenthalt bekommen und warum du nur 1 Jahr hast?
Björn Stehn: Bei einer Asylanerkennung und einer Flüchtlingsanerkennung bekommt man 3 Jahre. Das bekommt man, wenn man aus eigenen Gründen Probleme im Heimatland hat, zum Beispiel, weil man eine bestimmte Religion hat, weil man eine bestimmte politische Meinung hat, weil man einer bestimmten Volksgruppe zugehört …
Mohammad: Was bedeutet Volksgruppe?
Björn Stehn: Wenn du zum Beispiel als Palästinenser in Syrien diskriminiert wirst, schlecht behandelt wirst. Ein Beispiel sind die Kurden in Syrien. Sie haben weniger Rechte. Ein anderes Beispiel sind religiöse Minderheiten. Du weißt vielleicht, dass es Christen in Syrien gibt, die Probleme haben. Christen aus Syrien werden wegen ihrer Religion verfolgt, zum Beispiel durch den Islamischen Staat, durch Daesh. Sie können dann hier deswegen die Flüchtlingsanerkennung bekommen. Diese Flüchtlingsanerkennung kann man auch bekommen, wenn man verfolgt wird, weil man einer bestimmten Gruppe angehört. Zum Beispiel junge Frauen, die nicht verheiratet sind, und in ihrem Land bedroht sind, dass sie von ihren Eltern oder jemand anderem verheiratet werden, also Zwangsheirat, das ist dann ein Grund zu sagen, die müssen geschützt werden, die bekommen den Flüchtlingsstatus.
Mohammad: Ich meinte, ich bin nicht allein. Es gibt auch noch andere Menschen, bei denen es so ist.
„Es ist gut, wenn du hier eine Ausbildung gemacht hast und arbeitest, weil das dann ein neuer Grund dafür ist, dass du einen Aufenthalt bekommst.“ Björn Stehn, Rechtsanwalt für Asylrecht
Also man muss immer solche ganz besonderen Gründe haben. Wenn man aus Syrien wegen des Krieges ausgereist ist und wenn man sagt: „Ich hatte einfach Angst, dass ich im Krieg verletzt oder getötet werde“, dann kriegt man den subsidiären Schutz. Denn das betrifft alle in Syrien.
Mohammad: So viele Menschen haben Probleme, in diesen Zeiten. In jedem Haus siehst du, dass jemand gestorben ist. Es ist in Syrien jetzt wie eine Katastrophe. Ich erlebe, dass so viele Afghanen im Moment Abschiebung bekommen. Wer aus Eritrea kommt, erhält 3 Jahre. Wenige bekommen 1 Jahr. Nur die Syrer bekommen 1 Jahr. Warum?
Björn Stehn: Du hast das gut beobachtet. Es gibt Menschen, die ganz schlimme Sachen erlebt haben, aber trotzdem nur 1 Jahr bekommen. Und es gibt Menschen, die persönlich eigentlich gar nichts Schlimmes erlebt haben, und 3 Jahre erhalten. Das hängt zum Beispiel damit zusammen, dass man die 3 Jahre bekommt, weil man einer Minderheit angehört, die verfolgt wird. Kennst du Jesiden?
Mohammad: Ja.
Björn Stehn: Das ist eine religiöse Minderheit, die werden im Irak und in Syrien, insbesondere von Daesh verfolgt und umgebracht. Wenn ein Jeside hierher kommt, dann erhält er sofort die Flüchtlingsanerkennung, weil die ganze Gruppe verfolgt wird. Auch wenn ihm selber noch gar nichts passiert ist.
Björn Stehn: Was ich denke, was richtig wäre, ist, dass jeder da leben kann, wo er leben möchte, und man gar keinen Aufenthalt mehr braucht. Dass es keine Grenzen mehr gibt und jeder da leben kann, wo er leben möchte, und es nicht mehr gesagt wird, ich bin Deutscher, ich bin Palästinenser, sondern: Ich bin Mensch. Und wir sind alle Menschen.
Mohammad: Aber es gibt Menschen, die rassistisch sind. Zum Beispiel: Ich sehe einen Mann. Der Mann sieht aus, als wenn er mich schlagen möchte. Dann muss ich weggehen. Und es gibt die Menschen, die mir die Hand geben. Es gibt gute und nicht so gute Menschen. Ich erlebe bessere und die, die am besten sind. Das Leben ist so.
Björn Stehn: Ja. Alle Menschen sind unterschiedlich.
Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Infobroschüre zum Download oder zum Bestellen:
http://www.b-umf.de/de/publikationen/willkommensbroschuere
Sprachen: Deutsch, Französisch, weitere Sprachen folgen
Mein Name ist Mohammad.
Ich bin Palästinenser,
aber ich bin in Syrien geboren.
Ich spreche Arabisch.
Deutsch und Englisch sind
meine neuen Sprachen.
Beitragsbild: privat